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Emely liebt Quizshows und ganz besonders liebt sie es, sich diese gemeinsam mit ihrer Mutter anzuschauen. Ihre Mutter ist für sie die »Königin des Silberregens« beziehungsweise war sie das. Denn statt Fragen zu beantworten, wirft sie momentan eher welche auf. Warum schläft sie so viel? Warum steht sie morgens oft...
Emely liebt Quizshows und ganz besonders liebt sie es, sich diese gemeinsam mit ihrer Mutter anzuschauen. Ihre Mutter ist für sie die »Königin des Silberregens« beziehungsweise war sie das. Denn statt Fragen zu beantworten, wirft sie momentan eher welche auf. Warum schläft sie so viel? Warum steht sie morgens oft nicht auf? Und wie kann Emely das vor den Nachbarn, Lehrern und ihrem besten Freund Mathis verheimlichen?
Christine Werner greift das Thema Tablettensucht der Eltern einfühlsam, lebensnah und mit Leichtigkeit auf. Durch Emelys Geschichte bekommen Millionen Kinder in Deutschland erstmals eine erzählerische Stimme in dieser Altersstufe.
Emely übernimmt die Verantwortung. Für den Kakao, für den Einkauf, für die Wäsche, vor allem aber für die kleinen Geschwister. Sie bringt den Bruder in den Kindergarten, wickelt die Schwester, macht den beiden Abendbrot und bringt sie zu Bett. Ihr Vater ist beruflich viel unterwegs, manchmal über längere Zeit. Und...
Emely übernimmt die Verantwortung. Für den Kakao, für den Einkauf, für die Wäsche, vor allem aber für die kleinen Geschwister. Sie bringt den Bruder in den Kindergarten, wickelt die Schwester, macht den beiden Abendbrot und bringt sie zu Bett. Ihr Vater ist beruflich viel unterwegs, manchmal über längere Zeit. Und auf die Mutter ist kein Verlass. Sie ist aus dem Gleichgewicht. Seit einiger Zeit ist sie schrecklich müde. Sie verschläft ganze Tage, rappelt sich kurz auf, tut, als sei nichts gewesen, bis ihr plötzlich die Augen wieder zufallen und sie ins Bett verschwindet. Dort, wo sie eben noch war, bleibt ein kleines glitzerndes Stückchen Silberpapier zurück. Solch ein kleiner Schnipsel, der sich löst, wenn man eine Tablette aus der Verpackung drückt. Tablettensucht – das Wort wird nie genannt, detektivisch reimt man sich zusammen, welcher Schatten sich über das Leben der Mutter und damit auch über das der ganzen Familie gelegt hat. Niemand spricht darüber. Alle halten durch. Von Emely wird stillschweigend erwartet, dass sie den Laden zusammenhält. Ein paar Liebesbekundungen sind der Dank. Emely erfüllt ihre Rolle beängstigend perfekt. Sie fürchtet sich vor dem, was passieren würde, wenn die Fassade bröckelt. Würde ihre Mutter dann in eine Klinik kommen? Würde die Familie auseinanderbrechen? Würde sich ihr bester Freund Mathis von ihr abwenden? Einen besseren Freund als Mathis kann sich niemand wünschen. Er spürt, dass etwas mit Emely nicht stimmt. Auf seine Art versucht er ihr Halt zu geben. Keine leichte Aufgabe, wenn Emely sich ihm nicht anvertraut. Dass er Emelys seltsames Verhalten erträgt, ihr geduldig Raum gibt und trotzdem nicht locker lässt, ist Emelys großes Glück. Mathis tut das, was kein Erwachsener in dieser Geschichte schafft: hinsehen, zuhören, den richtigen Rat geben.
Dass die Sucht von Emelys Mutter nicht benannt wird und die Hintergründe und Details ihrer Krankheitsgeschichte so vage bleiben, ist nur auf den ersten Moment irritierend. Bedankt man, dass in Deutschland mindestens 3 Millionen Kinder in Familien mit suchtkranken Elternteilen leben, ist diese Erzählentscheidung wahrscheinlich die richtige. Alkohol, Drogen, Tabletten, Internet: Der Grund, warum die Eltern keine richtigen Eltern mehr sein können, ist egal. Das Ergebnis für die Kinder ist ja immer das Gleiche. Sie sind einem dauerhaften Stress ausgesetzt, der sie psychisch und körperlich krank macht. Das weiß Christine Werner natürlich. Und deswegen hat sie ihre Geschichte auch wie einen Bleistift auf den einen Moment zugespitzt, in dem Emely endlich nicht mehr kann und aufgibt. Dieser Zusammenbruch ist tatsächlich eine Erlösung, denn er ermöglicht es Emely den ersten Schritt in die richtige Richtung zu gehen, sich anzuvertrauen und Hilfe zu suchen. Ein wichtiges Buch für Kinder aus suchtbelasteten Familien, ihre Freunde, Mitschüler*innen, Verwandte und Nachbarn.
- Mia Grau
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