Bibliothek

Kinder lieben Steine. Steine kann man ins Wasser werfen oder in die Tasche stecken. Sie sind schwer. Sie liegen gut in der Hand. Manchmal glitzern sie. Oder haben eine besondere Form, die an irgendetwas erinnert. Kinder lieben Steine zu Recht.

„Steinchen“ dürften sie auch lieben. Dieser Stein hat nicht nur ein niedliches Gesicht, sondern auch einen eigensinnigen Kopf dahinter. Und Steinchen – im Original heißt sie Petra – ist sich der eigenen Großartigkeit absolut bewusst. Sie ist ein Fels, ein Berg, ein Monument! Wind und Zeit können ihr nichts anhaben. An Steinchen beißen sich alle die Zähne aus! In Wirklichkeit ist sie ziemlich klein – kein Grund, nicht toll zu sein. Dass sie vom Hund verschleppt, vom Mensch geworfen, vom Vogel aus dem Nest geschubst, in einen Teich befördert, von Kinderhänden gefunden und bemalt wird, macht Steinchen gar nichts aus. Im Gegenteil. Steinchen findet immer neue Möglichkeiten, das Beste aus der Situation zu machen. Steinchen wird einfach zum Ei, zur Insel oder zum Elefanten. „Gar nicht übel“, denkt sie sich. Und überhaupt: Morgen wird sie etwas anderes sein, etwas Erstaunliches!

So selbstbewusst und furchtlos, so fantasiebegabt und optimistisch möchten alle Eltern ihre Kinder aufwachsen sehen. Warum also nicht Steinchen zum Vorbild nehmen? Denn Steine werden von Erwachsenen zwar leicht übersehen, von Kindern aber – wie eingangs beschrieben – natürlicherweise geliebt. Manchmal sind Kinder eben weitsichtiger als Erwachsene.

- Mia Grau